Tödlicher Irrtum

30 Jahre ist die „Offensive 77“ her. Selten hat mir ein Buch soviel neue Einblicke in die Geschichte gebracht, wie das hier.
Tödlicher Irrtum – Die Geschichte der RAF bietet vor allem uns „jungen“ Lesern eine gute, beinahe schon objektive Darstellung dieser 30 Jahre währenden Terrorgeschichte. Zumindest an meiner Schule kam dieses Thema überhaupt nicht an die Reihe, vermutlich auch, da sich zu der Zeit gerade Bad Kleinen ereignet hatte und die RAF offiziel noch nicht aufgelöst war. 2 Dinge sind mir persönlich besonders in Erinnerung geblieben. Der Mord an Rohwedder, den ich immer mit Herrhausen verwechsle, vermutlich weil deren Ermordung so nah beienander liegt, damals hab ich nicht verstanden, weshalb man ihn ermordet hat, er war ja nur ein Verwalter des DDR Vermögens. Heute kann ich zumindest der Argumentation folgen, auch wenn sie sich mir nicht schlüssig erscheint, oder ich sie gar befürworten würde.
Viel tiefer sitzt mir aber das Fahndungsplakat am Bahnhof bei uns im Dorf im Gedächtnis.
Besonders war ich durch den Satz
Vorsicht Schusswaffen!“ beeindruckt.
Das Buch bietet eine gute chronologische Zusammenfassung der Ereignisse. Angefangen bei den Kaufhausbränden in Frankfurt, die Inhaftierung der Baader Meinhof Enslin Gruppe, über das Terrorjahr 77 (Offensive 77), die wilden 80er mit den großen Bankräuben, bis hin zum seichten Ausklang Ende der 90er.
Dass kurz vorher die größte nichtmilitärische Explosion der deutschen Geschichte gezündet wurde, war mir auch neu.
Die Verwicklungen und Verstrickungen der heutigen Politikerebene kannte ich schon, wenn auch nicht so im Detail.
Nach und nach werden die beteiligten Personen eingeführt, dabei immer eine kurze Biographie gegeben. Besonders bei den Gerichtsprozessen war ich hin und hergerissen. Denn aus ihrem Blickwinkel waren das alles Altnazis und Verbrecher, die über sie richten sollten. Wie kann ich das System nur sabotieren, das mich richten wird? Es scheint ihnen gut gelungen zu sein, anhand der Gesetzesfülle, die wegen ihnen erlassen wurde. Auf der anderen Seite sieht man die Richter und Vollstreckungsbeamten, die nunmal keine Unmenschen waren und die demokratischen Grundsätze beachtet haben.
Auch der vieldiskutierte Hungerstreik ist mE kein Mord sondern ein selbst gewählter Freitot. Folter und Isolationshaft gab es keine, besonders nicht in Stammheim. Ich fang ja auch nicht an zu Hungern, weil mir mein Arbeitgeber mE zu wenig Geld auszahlt. Ihn dann zu beschuldigen, er will mich umbringen, das ist verkappte Argumentation.
Die Entführung der Landshut war ja nichtmal in den oberen Kreisen der RAF gut angesehen, bzw. wurde dort sogar verurteilt.
Vieles ist auf beiden Seiten schief gelaufen. Als bestes Beispiel hierfür zählt wohl Bad Kleinen, Zitat eines Verfassungsschützers:
„Bad Kleinen hätte so gut laufen können…hätte..“
Anhand der zahlreichen Gerichtsakten erhält man einen guten Überblick über die Terrorjahre 1968-1998 und deren ungeklärten Fragen.
Aufgrund der heutigen Terrorsituation läßt sich sagen, dass im Gegensatz zu Terroristen heutiger Natur die RAF das System ändern, verbessern, wollte, dabei hatte sie ediglich die Basis vergessen und das System danach, während es den anderen nur um das Zerstören und Töten geht. Die RAF war unabhängig von irgendeiner Religion. es hätte sie auf jeden Fall gegeben, nicht so der Gottesterror. Böse Menschen machen eben Böses. Religion ist dafür verantwortlich, dass gute Menschen Böses machen.

Wem kann ich nun dieses Buch empfehlen?
Allen, die in diesem, ich sag jetzt nicht unserem, Land leben, unsere Geschichte verstehen wollen und etwas Einblick in große Zusammenhänge suchen.
Außerdem liest sich das Buch wie ein spannender fesselnder Thriller. Tom Clancy ist ein Kinderbuchautor dagegen.
Kaufbefehl!
😉

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Ein Kommentar zu Tödlicher Irrtum

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